#673 Rendition

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Kasi Mir
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#673 Rendition

Beitrag von Kasi Mir »

Hallo allerseits,
auch für Roughale zum Nachschlagen (ich mußte ja vorhin doch recht eilig weg) hier nochmal etwas ausführlicher meine Gründe, warum ich "Rendition" nur mit einer 3- bewerte (womit ich diesmal scheinbar eher im unteren Bereich liege).

Dabei muß man es eigentlich gar nicht so lang auswalzen - mir ist "Rendition" schlicht und ergreifend zu glatt und zu einfach gestrickt. Ich fühle mich an "The Life of David Gale" erinnert (den Roughale AFAIR auch besser fand als ich 8) ), der in seiner Gut-Böse-Schematisierung sogar noch etwas penetranter war. Aber auch hier ist eigentlich von Anfang an die Frontlage klar - ein ganz eindeutig unschuldiger (die winzigen Zweifel, die der Film zwischendurch streut, fallen hier nicht ins Gewicht) US-Einwohner ohne Staatsangehörigkeit wird aufgrund von fadenscheinigen Indizien festgenommen, ohne Anwalt verhört und dann schließlich ins namenlose Ausland entführt, wo eine "befreundete Nation" dann die Folter durchführt, die US-Beamten untersagt ist.

Dabei ist die Initiatorin dieser "Rendition", Corinne Whitman, mit eindimensional noch sehr großzügig beschrieben; stellenweise wirkt Streep hier noch diabolischer als im "Manchurian Candidate". J.K. Simmons ist verschenkt als CIA-Bürokrat, Reese Witherspoon bekommt wenig Gelegenheit, überhaupt etwas darzustellen, und Jake Gyllenhaal wirkt über weiter Strecken wie Trance, was die Entwicklung seiner Figur auch nicht nachvollziehbarer macht.

Im Kern steckt das Problem für mich aber nicht im Schauspiel, sondern in der Story - denn dieser Film drückt sich vor der Thematisierung des eigentlichen Problems, indem er immer den einfachen Weg wählt. Natürlich wird so ziemlich jeder dem Satz "Unschuldige zu foltern ist grausam und unmenschlich" zustimmen, zumal wenn die Initiatoren dieser Folter so borniert undrechthaberisch darsgestellt werden, wie Mrs. Whitman. Den eigentlich interessanten Fragen "Kann man Folter überhaupt rechtfertigen?", "Bringt Folter überhaupt irgendetwas?" oder auch "Wie verhalten sich Nutzen und Folgeschäden von Folter?" weicht der Film damit sauber aus, hier hätte ich einen differenzierteren Umgang mit dem Thema deutlich spannender gefunden.

Was bleibt von "Rendition"? Nun, der B-Plot um die aufmüpfige Tochter des nordafrikanischen Polizeichefs ist zwar auch nicht gerade filigran gestrickt, erfüllt aber seinen Zweck, die Monotonie der Peinigungen zu brechen, und fließt auf durchaus clevere Weise mit der Haupthandlung zusammen. Omar Metwally (als Opfer der "Rendition") spielt seine Rolle glaubwürdig und macht die Folgen der Folter plastisch. Auch Peter Sarsgaard und Alan Arkin spielen ihre kleinen Rollen souverän, was vor allem gegenüber Meryl Streep auffällt, die diese Art von Rolle inzwischen wohl auf Autopilot spielen kann (zum Glück spielt sie zumindest hin und wieder, wie z.B. in "Adaptation.", auch noch Rollen, die sie mehr fordern). Das macht den Film darstellerisch etwas schwächer, storytechnisch leicht besser als "David Gale" - also ist es nur fair, beiden Filmen die gleiche Endnote zu verpassen. ;)

Gruß
Kasi Mir
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Roughale
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Beitrag von Roughale »

Widersprechen will ich dem Kasi ja nicht, wenn er schon mal wieder einen Kritikthread eröffnet, aber... :twisted:

Mir hat der Film, mit leichten Abstrichen, gefallen, vielleicht eben, weil solch Themen leider viel zu selten realisiert werden. Die Seichtheit mag ja zutreffen, aber damit ist er leichter rezipierbar, wenn es alles drastischer zu Gange gegangen wär, hätten die Inhalte eher Widerspruch aus regierungsnahen Kreisen einstecken müssen. Das kann man natürlich nicht beweisen, aber es war für mich der erste grosse Hollywoodfilm in dem der mir zum Hals raushängende Begriff 9/11 in kritischem Kontext eingebaut wurde - gut so, wir sehen ja aktuell, wie uns dieses Datum immer noch heimsucht, auch uns, wir arg terrorgeschädigten...aber ich möchte jetzt nicht über Gehbehinderte meckern...

Zurück zum Film, was mir den Film in einen soliden 2er Bereich rückt war die Inszenierung der zwei Zeitebenen, die bis kurz vor Schluss nicht auffielen, mir zumindest nicht, das war eine filmische Leistung, die ich hoch anrechne. Auch hat mich die schauspielerische Leistung der Witherspoon positiv erstaunt, ich mag sie nicht sonderlich, aber wie auch schon in Walk the Line kann man ihr hier nicht wirklich was Schlechtes andichten. Jake Gyllenhaal ist halt immer so tranig, ebenso schon in Zodiak, ich glaube er denkt an die Berge und den Cowboy und die schönenen Stunden, als er mit ihm... Kinder, was macht ihr den noch hier - ausschalten!

Auch die Atmosphäre und das Setting hat mich überzeugt, im grossen und ganzen, mit einigen länglichen Passage, eine wirklich gute Sneak - da gibt es eine glatte 2 dafür.
Peace, Roughale (aka Roughoul or AROHYOUGEEAGEAYELEE)
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emma
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Beitrag von emma »

Roughale hat geschrieben:Die Seichtheit mag ja zutreffen, aber damit ist er leichter rezipierbar
Dem muss ich leider seufzend zustimmen. Dem Amerikaner an sich muss man das Essen kleinschneiden, damit er es kauen kann. Wenn Filme mit einer Message zu komplex gestrickt sind, verfehlen sie leicht das Zielpublikum. Ich stimme Roughale hier insofern zu, dass manchmal der Zweck die Mittel heiligt.

Oder...?
Die L. emma
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Rufus Nasedo
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Beitrag von Rufus Nasedo »

Der 3. Film zum Thema Terrorismus/Extremismus/Entführung innerhalb weniger Wochen in der Sneak. Das Thema scheint Mode, weil es wohl einfach polarisiert. Allerdings hatten die 3 Filme unterschiedliche Prämissen.
"A Mighty Heart" war eine wahre Schicksalsgeschichte.
"The Kingdom" action-basiert und übertrieben.

"Rendition" ist politisch und weitesgehend einfach öde. Denn viel passiert nicht. Ich wurd nicht wirklich mitgerissen, empört oder geschockt. Extremisten sind extrem, die Amis auch net ganz Reine und oft erwischt es auch Unschuldige.
Das war mir vorher auch schon klar und mittlerweile sicher vielen anderen auch, eben weil man es schon deutlich direkter eingebrannt bekommen hat von früheren Filmen. Und die Folter war mir zu stark einfach nur Bestandteil des Films (und ja eigentlich auch schon immer von Filmen), und damit zu unauffällig, weil für mich mittlerweile normal, als dass ich eine echte Kritik entdeckte.

Allerdings spricht für den Film eine exzellente und seriöse Besetzung:
Jake Gyllenhaal, Reese Witherspoon, Meryl Streep, Alan Arkin (also komplette Oscar-Luft, wobei nur Gyllenhaal nach Nomminierung nicht gewann), dazu J.K. Simmons und Peter Sarsgaard, wobei grade Simmons und Streep wie schon angesprochen weitesgehend nicht gefordert wurden (einfach auch wegen wenig Screentime) und im wesentlichen die Nordafrikaner-Darsteller, sowie Gyllenhaal die meiste Zeit zu sehen waren und damit den Film trugen, wobei auch Gyllenhaal eigentlich wieder kaum aus sich raus konnte/durfte (bis auf der kleine Wutanfall während des Verhörs).

Positiv auffallend außerdem wie schon in den beiden vorherigen gurndsätzlich ähnlich thematisierten Filmen: sehr gute, mir bis dahin unbekannte Darsteller für die arabisch-sprachigen Rollen, die auch hier wieder zu überzeugen wussten.

Ein kleinen Bonus gibt es noch durch einen Twist in der Erzählweise des Films, der den größten Aha-Effekt auslöste, denn der Inhalt tat dies bei mir nicht mehr in der heutigen Zeit, wo die oben genannten Themen etwas überfrachtet werden mit Filmen und Folter da nicht mehr heraussticht.

Qualitativ gut, aber eben noch zurückhaltend und eben ohne wirklichen Inhalt, der einen anzieht und fesselt in meinem Fall. Wie erwähnt zu glatt und daher geht er nicht mal als Kritik an den USA so wirklich durch. Hätte man sich vllt mehr trauen sollen.

Von mir gibt es ne 3-, weil Qualität, die klar da war, nicht reicht, sondern Unterhaltung und/oder Interesse wecken oder irgendwie schocken oder sonstwas einfach zu ner guten/passablen Note gehört und hier war einfach nix los.
Prusseliese

Beitrag von Prusseliese »

Was will uns Hollywood mit diesem Film sagen? Folter ist schlecht? Mmmmh... Demnächst belehren uns die Filmbosse auch noch darüber, dass man keine kleinen Kinder fressen darf. Wie gut, dass Hollywood immer den Weg zurück auf den Pfad der Tugend zeigt.

Eine Prise El-Masri-CIA-Skandal, eine Prise Terrorismus, eine Prise Bush-Regierungs-Kritik und schon fallen eine ganze Reihe hochgeschätzter Hollywood-Schauspieler auf ein maues Drehbuch rein. Schade. Bei der Besetzung hatte ich mich auf viel mehr gefreut. Die Figuren sind dermaßen überzeichnet, dass dieser Film förmlich nach einer Parodie schreit. Die verschobene Zeitebene ist ein netter Gimmik, aber auch nicht mehr. Und dieser Wandel vom bösen Folter-Ami (this ist my first torture) zum guten Retter-Ami (is this the Washington Post?) kommt dann doch etwas sehr einfach daher. Zumal Jake Gyllenhaal sich zu kaum einer Gefühlsregung hinreißen lässt.

Jack Bauer geht ja in jeder 24-Staffel beherzter und provokanter an das Thema ran, und das meist so ganz nebenbei!

Na ja, immerhin waren die Darsteller hübsch anzuschauen.
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